Hauptakteure des Schattentheaters waren Karagöz (Schwarzauge), ein sympathischer Schalk und Liebling des Publikums, und sein Widerpart, der hochnäsige Nachbar und höfliche Biedermann Hacivat. Karagöz (Schwarzauge), ein ungebildeter, oft als Zigeuner dargestellter Bauer. Trotz seiner Faulheit und Grobschlächtigkeit machten ihn seine lustige Schläue und Vorwitzigkeit zum sympathischen Schalk und erklärten Liebling des Publikums. Er war die Identifikationsfigur des Volkes schlechthin.
Abbildung in: Hans-Leo Bobber/Marie-Louise Hirschberger/ Ralph Kersten. Türkisches Schattentheater. Karagöz. Eine Handreichung für lustvolles Lernen, Frankfurt 1983, S. 53.
Jedes Schattenspiel bestand aus folgenden Teilen:
Vorwort, Dialog bzw. Haupthandlung und Schlusswort. Die Aufführung begann mit dem Vorwort, in dem Hacivat ein Lied und ein Gedicht vortrug. Mit diesen belehrte er die Zuschauer über die Eitelkeit der Welt und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, das ebenso nichtig und scheinbar wäre wie das Illusionstheater selbst.
Volkskunst und Kurzweil
Karagöz, das türkische Schattentheater, war im Osmanischen Reich des 16. und 17. Jh. die beliebteste Form der Unterhaltung. Es erfreute alle Gesellschaftsschichten, die “High Society“ lachte am Sultanshof ebenso darüber wie das einfache Volk in den Kaffeehäusern der Städte. Auch bei privaten Familienfesten buchte man Vorstellungen des Schattentheaters, und besonders oft veranstalteten die Osmanen Karagöz-Aufführungen im Fastenmonat Ramadan, wenn man sich nach Sonnenuntergang zum gemeinsamen Essen traf.
Vorstellung der Schattenspieler und seine Figuren
Die für das Schattentheater benötigte Bühne bzw. Kulisse bestand aus einer hölzernen Rahmenkonstruktion. Der dahinter verborgene Spieler agierte – für das Publikum unsichtbar – mit den Schattentheaterfiguren vor einem Bühnenfenster, das mit einem hellen transparenten Stoff bespannt war.
Die Figuren waren flache Scherenschnitte aus dünnem, durchsichtig geschabtem und bunt gefärbtem Leder, oft Kamelhaut. Ihre Größe schwankte zwischen 10 und 40 cm. Sie waren durchbrochen gearbeitet, so dass ihnen Licht- und Schattenwechsel Details, z.B. ausdrucksvolle Augen, verliehen.
Die Tradition des Schattenspiels wird auch heute noch gelegentlich in der Türkei gepflegt. So verfasste beispielsweise der bekannte zeitgenössische Dichter Aziz Nesin (1916-1995) einige Karagöz-Stücke.
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