Gelingt ein Überraschungscoup?
Arda Turan (im Bild rechts) ist der Kapitän der türkischen Fußballnationalmannschaft. Hier ist er im Trikot des FC Barcelona beim Pokalspiel gegen Espanyol Barcelona im Januar 2016 zu sehen.
Seit 1996 hat die Türkei bisher an drei Europameisterschaften teilgenommen und sich ständig verbessert. Während bei der Endrunde 1996 in England in der Gruppenphase weder ein Punktgewinn noch ein Torerfolg gelang, schaffte es die Mannschaft vier Jahre später bei der EM in Belgien und den Niederlanden immerhin bis ins Viertelfinale. Dort war dann nach der 2:0-Niederlage gegen Portugal Schluss. Der bisher größte Erfolg bei Europameisterschaften gelang 2008 in der Schweiz und Österreich, als die Halbmond-Sterne erst im Halbfinale Deutschland mit 3:2 unterlagen. Philipp Lahm schoss damals das entscheidende Tor in der 90. Minute. Weitere acht Jahre später hat die Türkei erneut die Qualifikationsrunde überstanden und fährt zur EM 2016 nach Frankreich. Laut dem Gesetz der Serie wäre in diesem Jahr der Einzug ins Finale fällig. Fans wie Spieler hoffen auf den großen Coup. Die Buchmacher sind skeptisch.
Die Buchmacher stufen die Türkei in der Favoritenliste im letzten Drittel ein
Den Quoten nach zu urteilen, trauen die großen Sportwettenanbieter der Türkei nicht das überstehen der Gruppenphase zu. Während bei einem Euro Einsatz für die Top-Favoriten Deutschland, Frankreich, Spanien, England und Italien Gewinne zwischen 4,50 und 13 Euro ausgezahlt werden, können Wetter bei einem Sieg der Türkei richtig Geld verdienen. Wie auf fussball-wetten.com zu sehen ist, liegt die Top-Quote bei 120. In der Weltrangliste liegt die Türkei derzeit auf Platz 20. Dreizehn Teams aus Europa liegen noch davor, wobei die Niederlande nicht für die EM qualifiziert ist. Lässt man außereuropäische Länder unberücksichtigt, sähe die Europa-Rangliste so aus:
Platz | Land | Punkte |
1. | Belgien | 1506 |
2. | Spanien | 1374 |
3. | Deutschland | 1355 |
4. | Portugal | 1234 |
5. | England | 1113 |
6. | Österreich | 1095 |
7. | Schweiz | 1070 |
8. | Italien | 999 |
9. | Niederlande | 997 |
10. | Rumänien | 990 |
11. | Wales | 984 |
12. | Kroatien | 965 |
13. | Ungarn | 951 |
14. | Türkei | 943 |
Stand: 14.03.2016
Die Buchmacher werden sicher auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die Türkei die Qualifikation nur mit großer Mühe geschafft hat. In zehn Spielen der Gruppe A konnten nur 18 Punkte eingefahren werden, was am Ende Platz 3 hinter Tschechien und Island bedeutete. In der Wertung der besten Gruppendritten belegte die Türkei allerdings den ersten Platz und qualifizierte sich damit direkt für die EM. Von Vorteil waren dabei die beiden Unentschieden gegen den Letzten der Gruppe, Lettland. Dadurch wurden nur zwei Punkte abgezogen.
Mäßige Leistungen in der Qualifikation mit Happy End
Die Qualifikationsspiele zur EM liefen für die Türkei alles andere als berauschend. Das Team starte mit zwei Niederlagen in Island (3:0) und zu Hause gegen Tschechien (1:2). Es folgte ein Unentschieden gegen Lettland und nach der Hälfte der Spiele lag die Türkei mit fünf von fünfzehn möglichen Punkten lediglich auf Platz 4 der Tabelle. In den zweiten fünf Spielen konnten dann allerdings dreizehn Punkte erzielt werden. Das reichte für den dritten Platz und die Niederlande konnte noch auf Platz vier verdrängt werden.
Die Aufgabe in der Gruppenphase der EM scheint lösbar
Obwohl die Türkei aufgrund des geringen UEFA-Koeffizienten bei der Gruppenauslosung zur EM 2016 nur in Topf 4 landete, scheint das Erreichen von Platz 2 möglich zu sein.
Gruppe D |
Spanien (Topf 1) |
Kroatien (Topf 2) |
Tschechien (Topf 3) |
Türkei (Topf 4) |
Dass die Türkei die Tschechen in der Gruppenphase einer Europameisterschaft hinter sich lassen kann, hat sie bei der EM 2008 in der Schweiz und Österreich bewiesen. Damals konnte im entscheidenden Gruppenspiel ein 0:2-Rückstand noch in einen 3:2-Sieg umgewandelt werden und die Türkei zog als Gruppenzweiter hinter Portugal ins Viertelfinale ein. Trotzdem wird das Team bei allen Gruppenspielen der EM 2016 an seine Leistungsgrenze gehen müssen, denn die Länderspielbilanz gegen die Gegner fällt durchweg negativ aus:
- Spanien: 1 Sieg, 4 Unentschieden, 5 Niederlagen (5:14 Tore)
- Kroatien: 1 Sieg, 3 Unentschieden, 2 Niederlagen (7:9 Tore)
- Tschechien: 3 Siege, 1 Unentschieden, 5 Niederlagen (11:20 Tore)
Vom Soloensemble zur Mannschaft mit Teamgeist
Das Korsett des aktuellen Kaders bilden hauptsächlich Spieler der großen Istanbuler Vereine Besiktas, Galatasaray und Fenerbahce, ergänzt durch einige Legionäre, die in Deutschland und Spanien ihr Geld verdienen:
- Hakan Calhanoglu (Bayer Leverkusen)
- Kaan Ayhan (FC Schalke 04, ausgeliehen an Eintracht Frankfurt)
- Yunus Malli (1. FSV Mainz 05)
- Atinc Nukan (RB Leipzig)
- Arda Turan (FC Barcelona)
Der Spielstil der türkischen Nationalmannschaft war in früheren Zeiten vorwiegend von egoistischen Einzelaktionen geprägt, bei dem der Teamgeist häufig auf der Strecke blieb. Negativer Höhepunkt war 2013 die sogenannte Pistolenaffäre. Nach dem WM-Qualifikationsspiel der Türkei gegen die Niederlande bedrohte der Spieler Gökhan Töre in einem Hotelzimmer seine Mitspieler Hakan Calhanoglu und Ömer Toprak mit einer Pistole. Ziel des Angriffs war allerdings ein Freund Topraks, der sich ebenfalls im Zimmer aufhielt. Calhanoglu und Toprak wollten daraufhin nicht mehr mit Töre in der Nationalmannschaft spielen. Tatsächlich kam es seitdem zu keinem Länderspiel der Türkei mit allen drei Akteuren. Toprak hat seine Länderspielkarriere für beendet erklärt. Töre steht aktuell nicht im Kader der Nationalmannschaft. In jüngster Zeit haben sich die Querelen im türkischen Team deutlich gelegt. Die Euphorie nach der geschafften Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich ist im Team, bei den Fans und den Medien groß. Die Fans erreichten bei den verantwortlichen Trainern sogar einen Torwartwechsel von Volkan Demirel zu Volkan Babacan. Die Fans brachen mit Demirel aufgrund seiner mangelhaften und negativen Kommunikation. Volkan Babacan strahlt dagegen Ruhe aus und gibt seinen die nötige Sicherheit. Er ist ein positiver Geist, der seine Mitspieler motiviert und antreibt. Das sind die Eigenschaften, die eine Mannschaft braucht, um ein großes Turnier zu gewinnen.
Bisher stehen zwei Teilnahmen bei Weltmeisterschaften zu Buche
Bei bisher 20 gespielten Weltmeisterschaften war die Türkei lediglich an zwei Endrunden beteiligt. 1954 kam es bei der WM in der Schweiz in der Gruppe 2 zum legendären Entscheidungsspiel mit der deutschen Mannschaft von Sepp Herberger. Das Spiel endete 7:2 für Deutschland und die Türkei war damit ausgeschieden. Wesentlich besser lief es bei der WM 2002 in Japan und Südkorea. Erst im Halbfinale scheiterte die Türkei am späteren Weltmeister Brasilien und verlor 0:1. Das Spiel um den dritten Platz konnte die Türkei gegen Gastgeber Südkorea mit 3:2 gewinnen. Es war der größte Erfolg für den türkischen Fußball überhaupt. Seitdem wurde die Teilnahme dreimal in Folge verpasst. Die folgende Infografik gibt einen Überblick über die Ergebnisse der türkischen Fußball-Nationalmannschaft bei den großen Turnieren WM und EM.
Infografik: Das Abschneiden der Türkei bei Welt- und Europameisterschaften