Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man einem alten Gegenstand begegnet und plötzlich wieder sechs Jahre alt ist. Der Geruch, die Haptik, ein Detail – und schon ist man nicht mehr in seiner Wohnung, sondern im Kinderzimmer von damals. Zwischen Kuscheltieren, Geschichten, Geheimnissen und ersten Träumen.
Ich habe in meinen Schubladen, in Kisten und auf dem Dachboden gewühlt. Und fünf Dinge gefunden, die aus meiner Kindheit stammen – und die mich bis heute begleiten. Nicht laut, nicht täglich, aber irgendwie immer im Hintergrund.
1. Der Plüschaffe mit dem leicht schiefen Arm
Sein Name war damals „Karli“. Ich bekam ihn von meinem Vater, nach einer Woche im Krankenhaus. Der rechte Arm ist heute etwas locker – man sieht, dass er mitgetragen, umklammert, geschleift wurde. Karli war bei jedem Umzug dabei, auch wenn er irgendwann nicht mehr im Bett lag, sondern im Karton. Ich halte ihn manchmal fest, wenn die Welt zu laut wird. Nicht weil ich kindisch bin, sondern weil da etwas Tröstliches dran ist, zu wissen: Dieser Affe kennt mich länger als die meisten Menschen in meinem Leben.
2. Die Kassette mit „Bibi Blocksberg“
Nummer 17 – „Der neue Hexenbesen“. Ich kenne die Dialoge immer noch auswendig. Diese Kassette hat mich durch viele schlaflose Nächte gebracht. Heute besitze ich kein Kassettengerät mehr, aber ich bewahre sie trotzdem auf – als Denkmal einer Zeit, in der meine Vorstellungskraft größer war als jede Sorge. Und manchmal frage ich mich, ob ich mir nicht auch wieder einen „HexHex“-Moment wünschen dürfte – einen kleinen Zauber gegen das Erwachsensein.
3. Mein erstes selbstgemaltes Bild, eingerahmt von Mama
Kritzelige Sonnen, ein Haus mit schiefem Dach, zwei Strichmenschen mit riesigen Köpfen. Meine Mutter hat es gerahmt und ins Wohnzimmer gehängt, damals wie heute. Es ist der Beweis, dass jemand stolz auf mich war, einfach weil ich war. Kein Leistungsdruck, keine Erwartung. Nur dieses Gefühl: Du bist richtig, so wie du bist. Vielleicht ist es das, was man als Erwachsener am meisten sucht – und was man als Kind einfach geschenkt bekommt.
4. Die Jeansjacke mit den bunten Aufnähern
Sie war eigentlich viel zu groß, aber ich habe sie geliebt. Ich fühlte mich damit stark, rebellisch, ein bisschen wie ein Rockstar. Meine Mutter hat jeden Aufnäher einzeln angenäht – Tiger, Regenbogen, eine kleine Ananas. Heute liegt sie ganz hinten im Schrank. Ich passe nicht mehr hinein, und doch ist sie eine Art Rüstung aus Erinnerung. Eine Erinnerung daran, dass man nicht immer so angepasst sein muss, wie man glaubt.
5. Der Brief an den Weihnachtsmann
Ich habe ihn zufällig wiedergefunden – in einer alten Kiste mit Schulheften. Rechtschreibfehler, krakelige Schrift, ganz oben: „Lieber Weihnachtsmann, ich war meistens lieb.“ Der Brief ist nicht nur rührend – er ist ein Spiegel dessen, wie ich damals die Welt gesehen habe. Naiv, ehrlich, voller Hoffnung. Und manchmal frage ich mich: Wann haben wir eigentlich aufgehört, so zu schreiben? So direkt, ohne Filter, ohne Hintergedanken?
Kindheit vergeht. Aber sie geht nicht.
Sie bleibt in Gegenständen, in Gerüchen, in Bildern. Und manchmal reicht ein einziger Blick auf einen alten Zettel, ein abgewetztes Spielzeug oder ein zerfleddertes Buch, um zu merken: Ein Teil von uns ist immer noch da. Lebendig, bunt, ungeschützt. Vielleicht liegt genau darin die Kraft dieser Erinnerungen: Sie holen uns zurück zu uns selbst. Zu dem, was wir mal waren, und zu dem, was wir nie ganz verloren haben.