Es war ein grauer Dienstagmorgen, der sich nicht sonderlich von den vielen tristen Tagen zuvor unterschied. Ich saß mit meinem Kaffee am Fenster und starrte hinaus in den Nieselregen, der langsam die Fensterscheiben herunterlief. Der Gedanke, dass etwas in meinem Leben fehlte, war zu diesem Zeitpunkt ein ständiger Begleiter. Routine hatte meine Tage übernommen – Arbeit, Abendessen, Fernsehen, Schlafen – und irgendwo auf dem Weg hatte ich die Verbindung zu mir selbst verloren.
An diesem Morgen, zwischen den letzten Schlucken meines inzwischen kalten Kaffees und dem stetigen Trommeln des Regens, traf ich eine Entscheidung, die alles ändern sollte. Es war keine bewusste, lange überlegte Entscheidung, sondern eher ein Impuls. „Ich gehe laufen,“ dachte ich mir. „Was soll’s? Schlimmer kann ich mich kaum fühlen.“
Ich schlüpfte in ein altes, längst vergessenes Paar Laufschuhe, zog eine Regenjacke über und trat hinaus in die kalte, feuchte Luft. Die ersten Schritte fühlten sich unbeholfen an, mein Atem ging schwer und der Regen prasselte mir ins Gesicht. Nach nur wenigen hundert Metern keimte der Gedanke auf, einfach umzudrehen. „Das ist nichts für dich“, flüsterte eine leise, aber beharrliche Stimme in meinem Kopf. Doch irgendetwas trieb mich an, weiterzulaufen.
Nach einer Weile fand ich einen Rhythmus. Mein Atem beruhigte sich, meine Beine wurden leichter und der Regen, der anfangs wie ein lästiger Begleiter gewirkt hatte, fühlte sich plötzlich erfrischend an. Die Welt um mich herum begann sich zu verändern. Es war nicht länger nur der triste Nieselregen auf grauem Asphalt, sondern die Geräusche des Lebens, das mich umgab – das gleichmäßige Rascheln der Bäume, das entfernte Lachen eines Kindes, der Wind, der durch die Blätter strich. Mit jedem Schritt spürte ich, wie eine unsichtbare Last von meinen Schultern fiel. Es war, als ob all die angestauten Gedanken und Sorgen, die mich so lange bedrückt hatten, mit jedem Atemzug leichter wurden. Mein Körper, der sich anfangs gegen die Anstrengung gewehrt hatte, begann zu begreifen, dass dies keine Qual war, sondern eine Befreiung.
Als ich schließlich nach Hause zurückkehrte, tropfte ich vor Nässe und mein Herz schlug wild. Doch da war ein Lächeln auf meinem Gesicht, das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Ich fühlte mich lebendig, als hätte ich einen längst vergessenen Teil von mir wiedergefunden. Das Laufen war an diesem Morgen nur der Anfang. In den folgenden Wochen und Monaten wurde Sport zu einem festen Bestandteil meines Lebens. Es war nicht nur die körperliche Veränderung, die mich überraschte – obwohl ich nach und nach spürte, wie mein Körper stärker und widerstandsfähiger wurde. Vielmehr war es die mentale Freiheit, die mir Sport schenkte. Jede Trainingseinheit war wie eine kleine Reise zu mir selbst, ein Moment der Klarheit in einer sonst so hektischen Welt.
Heute, wenn ich auf diesen grauen Dienstagmorgen zurückblicke, erkenne ich, dass es der Tag war, an dem sich etwas in mir veränderte. Sport war nicht nur eine Möglichkeit, meinen Körper in Form zu bringen. Es wurde zu einer Art Meditation, einem Weg, den Alltag hinter mir zu lassen und ganz bei mir selbst anzukommen. Es geht im Sport nicht darum, Rekorde zu brechen oder anderen etwas zu beweisen. Es geht darum, sich selbst zu begegnen, seine Grenzen zu verschieben und zu erkennen, dass man viel mehr kann, als man sich zutraut. Dieser eine Morgen hat mir gezeigt, dass Veränderung immer möglich ist – man muss nur den ersten Schritt wagen.