Das Prinziop Montessori
Mehr als ein Jahrhundert ist es her, dass Maria Montessori ihr Pädagogikkonzept entwickelte und das erste Montessori-Kinderhaus in Rom gründete. Heute gibt es über 40.000 Einrichtungen weltweit, die das von ihr entwickelte Prinzip des selbstbestimmten Lernens fortführen. Eine davon ist die Jeanne-d’Arc-Schule in Roubaix, Frankreichs ältestes Montessori-Kinderhaus, in das die ZuschauerInnen durch die Augen des Regisseurs Alexandre Mourot Einblick erhalten. Hierbei gelingt es ihm nicht nur die Methoden und Gedanken Montessoris zu vermitteln, sondern auch die drei- bis sechs-jährigen ProtagonistInnen, ihre Persönlichkeit und ihre Entwicklung, zu porträtieren.
Es herrscht emsiges Treiben in der Vorschulklasse der Jeanne-d’Arc-Schule in Roubaix: Möhren werden geschält, Mathematikaufgaben gelöst oder das Benutzen einer Schere eingeübt. Konzentriert sind die etwa 30 Schülerinnen und Schüler in ihre ‚Arbeiten‘ vertieft, schweigend, höchstens flüsternd. Den Arbeitsrhythmus und die Beschäftigungsdauer bestimmen sie selbst, ebenso wie die Tätigkeit, die sie ausüben. Eine Anleitung durch Erzieher Christian Maréchal oder eine der Praktikantinnen bedarf es nicht, denn die Freiheit ihrer Entscheidungen bewirkt bei den Kindern bereits eine intrinsische Disziplin.
Ein ähnliches Verhalten hatte Regisseur Alexandre Mourot an seiner jüngst geborenen Tochter bemerkt: Je mehr Freiheiten er ihr ließ, desto größer waren ihre Fortschritte und ihre Entwicklung. Auf der Suche nach Erklärungen für seine Beobachtungen entdeckte er die Montesorri-Pädagogik, die ihn faszinierte und zu der Dokumentation „Das Prinzip Montessori“ motivierte. So ermöglicht er dem Publikum, in den Alltag einer typischen Montessori-Klasse einzutauchen und so den pädagogischen Ansatz am Beispiel lebhaft erklärt zu bekommen.
So stellt beispielsweise Lehrer Christian im Zeitraum der Dreharbeiten bei dem dreieinhalb-jährigen Géraud ein aufkommendes Interesse für sprachliche Aktivitäten fest. Durch seine genaue Beobachtung kann er die Entwicklung jedes Kindes verfolgen und die sogenannten sensiblen Phasen ausmachen. Dies sind Phasen, in denen die Kinder besonders empfänglich für den Erwerb einzelner Fähigkeiten sind. Durch gezielte sprachliche Übungen, wie das Erlernen des Alphabets durch haptische Buchstabenkarten, nutzt der Pädagoge das intrinsische Interesse Gérauds, sodass dieser in knapp zwei Monaten das Lesen erlernt.
Mourots Langzeitbeobachtung – über zwei Jahre filmte er in der Klasse – bietet dem Publikum dabei eben jene Freiheit an, die Maria Montessori in ihrer Pädagogik vertritt: Die Aufmerksamkeit des Blicks kann in den vielen Weitwinkelaufnahmen frei gewählt werden. Die ZuschauerInnen sollen, wie die Kinder, ihrer eigenen Neugierde folgen und Entdeckungen machen. Die Kamera imitiert die Haltung des Montessori-Pädagogen, still und abwartend. Kein Experteninterview durchbricht die puristischen Aufnahmen des Dokumentarfilms und maßt sich eine Bewertung über das Gesehene an. Somit gelingt es Mourot das Prinzip Montessori nicht nur zu erklären, sondern auch in eine eigene Cinematografie zu übersetzen.
Schon 1907 entwickelte die italienische Ärztin Maria Montessori das nach ihr benannte pädagogische Bildungskonzept, in dem das Kind als Individuum im Mittelpunkt steht. Montessoris Grundannahme ist hierbei, dass jedes Kind über ein natürliches Verlangen und eine Freude am Lernen verfügt. Durch eine offene Unterrichtsform, in denen die Kinder im eigenen Rhythmus und ohne Bewertung ihr Lernen bestimmen können, soll diese intrinsische Motivation unterstützt und eine Entwicklung hin zu einer selbstbewussten und selbstständigen Persönlichkeit ermöglicht werden. Bis heute wird Montessoris Methode weltweit in Schulen und Kindertagesstätten angewandt.
Alexandre Mourot, eigentlich ausgebildeter Ingenieur, widmete sich erst in einem zweiten Bildungsweg der Fotografie und dem Filmemachen am Atelier Varan. Seinen ersten Dokumentarfilm „Poubelles et Sentiments“, der sich mit der Abhängigkeit von Materiellem beschäftigt, wurde 2009 veröffentlicht. Seit 2014 hat er sich ganz dem Dokumentarfilm verschrieben und konzentriert sich inhaltlich auf das Thema Bildung.
http://www.das-prinzip-montessori.de