Eine Fußball-Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft ist nicht nur für das ausrichtende Land, sondern auch jede teilnehmende Nation ein außergewöhnliches Ereignis, das mit hoher medialer Aufmerksamkeit begleitet wird. Doch wie steht es eigentlich mit den Auswirkungen so eines Ereignisses auf die globale Wirtschaft? Während das Event selbst den veranstaltenden Verbänden viel Geld in die Kasse spült, werden die Nachwirkungen an der Börse oft eher überschätzt. Trotzdem geht so eine Meisterschaft auch an den Börsen nicht spurlos vorbei.
EM und WM als Präsentationsplattform für Unternehmen
Jedes Fußball-Großereignis hat viele Millionen Zuschauer in den Stadien und vor den heimischen TV-Geräten. Das bedeutet auch, dass viele Millionen potentielle Kunden zuschauen, wenn sich ein Cristiano Ronaldo seinen neuen Sportschuh einer ganz bestimmten Marke zuschnürt oder wenn ein Brauerei-Riese in jedem Spiel per Bandenwerbung vorgibt, das vielleicht beste Bier der Welt zu brauen. Vor allem für die offiziellen Partner der Veranstalter sowie die Ausrüster der teilnehmenden Sportler ist eine WM oder EM eine großartige Möglichkeit, Brand-Marketing zu betreiben und sich in den Köpfen der Zuschauer festzusetzen. Es birgt aber auch Risiken. Als bei der EM 2016 die Trikots der Schweizer gleich reihenweise zerrissen, erntete Hersteller Puma Hohn und Spott. Der deutsche Ausrüster Adidas hingegen hatte zeitweise Probleme, Spielernamen mit Umlauten (Özil, Höwedes, Schürrle, Götze) auf die bestellten Trikots zu flocken. Andererseits kann ein sportlicher Erfolg aber auch das ausrüstende Unternehmen beflügeln. Der sensationelle Auftritt Islands etwa brachte dem kleinen italienischen Ausrüster Erreà einen ungeahnten Absatzaufschwung.
Prognosen und Erwartungen
Traditionell geben eine Reihe von Experten vor jedem Fußball-Großereignis gern Prognosen ab, welche Branchen und Unternehmen vom jeweiligen Event besonders profitieren dürften. Die Finanzexperten von IG etwa prognostizierten richtigerweise einen positiven Effekt auf die großen Sportartikelhersteller wie Adidas und Nike, gaben aber auch zu bedenken, dass der Effekt eines einzelnen Ereignisses nicht eindeutig zu bestimmen ist. Dabei ist jedoch klar, dass es für die Sportartikel-Branche wohl kaum ein passenderes Ereignis gibt, um sich zu präsentieren, als eine Fußball-WM oder EM. Auch ein Aufschwung bei Unternehmen aus dem Tourismusbereich ist naheliegend. Fluggesellschaften, Hotels und Reiseveranstalter, aber auch Baufirmen, die zuvor die Infrastruktur ausbauen, gehören zu den Gewinnern. Überraschenderweise gehören oft auch Medienanstalten wie TV-Sender zu den Profitierenden. Obwohl diese horrende Summen für die Übertragungsrechte abtreten müssen, fließen nicht selten gesteigerte Einnahmen aus den Werbeplätzen zurück.
Überschätzte Wirkung von Fußball auf Wirtschaft
Wenn eine Mannschaft im Turnier ausscheidet, fallen am nächsten Tag die Börsenkurse. Das ist aber in den meisten Fällen bereits der einzige nachweisbare Effekt, den eine WM oder EM auf die Wirtschaft hat. Selbst die gesteigerten Einnahmen der Unternehmen im Zuge der WM 2006 in Deutschland machten am Ende nur ein Plus von 0,02% des BIPs aus. Der Effekt eines Feiertags, der auf einen Sonntag fällt, ist höher. Allein der Werbeeffekt für das austragende Land kann wichtig sein. So haben sich etwa Polen und die Ukraine – Ausrichter der EM 2012 – für Investoren interessant gemacht. Ein Ausrichter wie Deutschland oder Frankreich ist jedoch bereits bekannt und attraktiv und braucht so eine PR eigentlich nicht mehr. Ein Kuriosum zum Schluss: Die Handelsaktivität an den Börsen sinkt bei den Spielen der jeweiligen Nation signifikant, denn auch Trader sitzen gern in der Sportsbar.
Rückblick: So wirkte die WM 2014 auf die Börsen
Obwohl es kaum möglich ist, die Auswirkungen eines einzigen Events wirklich seriös durch Börsenbewegungen zu untersuchen, wird genau dies von manchen Analysten nach einer EM oder WM versucht. Das Ergebnis ist dabei fast immer gleich: Es gibt keine nennenswerten Zusammenhänge. Nach der letzten WM 2014 in Brasilien entwickelten sich beispielsweise die Kurse der Ausrüster Adidas, Nike und Puma schlechter als der MSCI World Index. Weltmeister-Ausstatter Adidas war dabei sogar der schlechtere Mitbewerber. Das vielbeschworene Wir-Gefühl nach dem Sieg im Finale ebbte volkswirtschaftlich gesehen ebenfalls schnell wieder ab. Fazit: Eine EM oder WM ist ein wichtiges Event für gewisse Branchen, aber sicher kein alleiniges Allheilmittel für Unternehmen oder Volkswirtschaften.