Als junger Mann kam er nach Deutschland. In Berlin besuchte er die renommierte Ernst Busch Hochschule. Mit seinen Stücken hat er zahlreiche Preise gewonnen. Elena Winterhalter hat sich mit ihm über die Türkei, Deutschland und sein Stück „Verrücktes Blut“ unterhalten.
Sie kamen als 25-Jähriger nach Deutschland und haben dann innerhalb sehr kurzer Zeit deutsch gelernt. Ist Ihnen das leicht gefallen?
Nurkan Erpulat: Ich habe schon eineinhalb Jahre gebraucht. Und natürlich habe ich nach dieser Zeit auch noch nicht so fließend gesprochen wie heute. Der Deutschkurs, den ich besucht habe, hat mir sehr viel geholfen. Außerdem mag ich Sprachen grundsätzlich sehr.
Am 12. April hat ihr Stück „Verrücktes Blut“ in Augsburg Premiere gefeiert. Werden Sie sich die Premiere in Augsburg anschauen?
Erpulat: Nein, leider habe ich im Moment in Berlin zu tun. Aber prinzipiell finde ich es wunderbar, eine Vorstellung zu besuchen.
Das Stück wird in Augsburg von Ulf Goerke inszeniert. Ist es komisch oder bereichernd, sein Stück in fremde Hände zu legen?
Erpulat: Es ist auf jeden Fall befremdlich. Ich selbst begreife mich nicht als Autor, sondern als Theatermacher. Deshalb freut es mich sehr, wenn meine Stücke inszeniert werden. Es ist sehr bereichernd.
„Verrücktes Blut“ haben Sie zusammen mit Jens Hillje erarbeitet. Wie läuft so eine Zusammenarbeit ab?
Erpulat: Das Stück war ein Auftragswerk. Wir haben uns den Film „La journée de la jupe“ angeschaut und sollten daraus einen Theaterabend gestalten. Uns haben die Motive sehr gut gefallen, die Aussage am Ende fanden wir allerdings problematisch. Zum Beispiel der Teil mit Schiller, das Herzstück unseres Stückes kommt im Film nicht vor. Wir haben dann angefangen mit Schauspielern die Szenen zu improvisieren und Material zu sammeln. Am Schluss haben wir alles gekürzt und verknappt. Mit dieser Methode arbeite ich bevorzugt.
Sie wurden 2011 zum „Nachwuchsregisseur des Jahres“ gekürt. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?
Erpulat: Ich freue mich über die Anerkennung. Andererseits ist es für meine Arbeit überflüssig. Viel interessanter ist es für Deutschland. Nach 50 Jahren Migrationsgeschichte hat man gemerkt, dass man Interesse an Menschen mit Migrationshintergrund hat, die 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Sehen Sie sich als Vorreiter für türkische Nachwuchsregisseure in Deutschland?
Erpulat: Ich sehe mich nicht als Vorreiter. Das ist vor allem eine politische Sache. Bis 2006/2007 gab es keine Zugänge an Staats- und Stadttheater für Menschen mit Migrationshintergrund. Das hat sich etwas geändert. Deshalb geht es dabei auch nicht um mich. Nicht ich habe die Türen geöffnet. Das war eine Entscheidung der Gesellschaft. Endlich wird ein Stück Realität angenommen. Ich freue mich, dass Leute wie ich jetzt eine Perspektive sehen.
Sie haben mal gesagt, wenn Sie kein Türke wären, wäre Ihre Karriere anders gelaufen. Wie haben Sie das genau gemeint?
Erpulat: Ich wurde immer gefragt, ob ich mit kriminellen Kindern arbeiten möchte, nicht ob ich ein Stück von Shakespear inszenieren möchte. Ich war klassisch ausgebildet, kam aber nur für bestimmte Geschichten von einem bestimmten Milieu in Frage. Dennoch habe ich die Chance ergriffen, statt zu verweigern. Ein Zugang, der sehr von außen bestimmt war – aber ein Zugang. Aber meine Überlebensstrategie lautet: Lieber lachen als heulen. In den letzten Jahren arbeite ich als Regisseur und wurde als Regisseur zitiert. Das soll so bleiben.