Serkan Tören
Serkan Tören bewertet die Abwanderung türkischstämmiger aus Deutschland in die Türkei.
Zuerst einmal möchte ich betonen, dass die weltweite Freizügigkeit deutscher Staatsangehöriger ein hohes Gut ist. Ich freue mich darüber, dass Deutsche in aller Welt gefragte Arbeitnehmer sind und dass sie die Chancen, die sich ihnen global bieten, auch tatsächlich nutzen.
Wer aus Deutschland auswandert, schadet damit nicht notwendigerweise unserer Wirtschaft. Ganz im Gegenteil: Durch Auswanderer (und Einwanderer) sind wir heute sehr eng mit allen Volkswirtschaften weltweit verbunden. Sie sind wichtige Brücken für den wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen und kulturellen Austausch und gemeinsames Wachstum.Dies gilt nicht nur für diejenigen, die ins EU-Ausland oder die USA auswandern, sondern natürlich auch für diejenigen, die in die Türkei gehen. Während meines Besuchs bei Siemens in Istanbul habe ich eine ganze Reihe von Türkischstämmigen aus Deutschland kennen gelernt. Sie sind hochqualifiziert und denken global. Sie gehen dorthin, wo sich ihnen die besten beruflichen und privaten Perspektiven bieten. Hierbei handelt es sich keineswegs um gescheiterte Karrieren in Deutschland, sondern um gelingende internationale Karrieren. Die Anreize, in die Türkei zu gehen, sind vielfältig und groß. Als viertgrößte Stadt der Welt , mit einer schnell wachsenden Wirtschaft und einer Geschichte und einer Kulturgeschichte von über zweitausend Jahren ist Istanbul eine der spannendsten und anziehendsten Metropolen. Nicht nur für Türkischstämmige, aber für sie in besonderem Maße. Sie sprechen die Sprache des Landes und ihnen wird mit der Mavi Kart ein sehr attraktiver Aufenthaltstitel von Seiten des türkischen Staates angeboten.
Da sie nicht nur Türkisch, sondern eben auch Deutsch sprechen, arbeiten sie auch in der Türkei häufig für deutsche Unternehmen und Institutionen oder für solche, die eng mit Deutschland kooperieren. Sie festigen damit die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen unseren Ländern. Es ist auch keineswegs gesichert, dass die heutigen Abwanderer Deutschland für immer verlassen oder nur auf Zeit. Die Datenlage hierzu ist weiterhin dünn, aber vieles deutet darauf hin, dass viele Abwanderer früher oder später zurückkehren und dabei wertvolle Erfahrungen in Deutschland einbringen.
So sehr ich nachvollziehen kann, dass die Türkei ein attraktives Einwanderungsland geworden ist, so sehr erfüllt mich doch die Sorge, dass Deutschland als Land für die Nachkommen von türkischstämmigen Einwanderern unattraktiver geworden ist. Wenn jemand die Schule erfolgreich absolviert, anschließend eine gute Ausbildung oder ein gutes Studium macht, aber dennoch keine attraktiven Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt hat, haben wir ein Problem in unserem Land. Das gilt in besonderer Weise, wenn sich die Möglichkeiten in erster Linie wegen der Herkunft verschließen. Mit Türkischstämmigen aus dieser Gruppe habe ich beim Rückkehrerstammtisch in Istanbul gesprochen. Beim Stammtisch kommen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammen: Einige haben für sich in Deutschland keine berufliche Perspektive gesehen, andere sind zu ihrem Partner in die Türkei gezogen und wieder andere wollten schlicht einen Neustart im Leben wagen oder eine gute berufliche Gelegenheit in der Türkei nutzen.
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