Sauerteig ist ein natürliches Teigtriebmittel, das seit Jahrtausenden zur Herstellung von Brot – und inzwischen auch anderen Backwaren – verwendet wird. Es ist eine Mischung aus Mehl und Wasser, in der sich wilde Hefen und Bakterien vermehren und dafür sorgen, dass ein Teig aufgehen kann. Die Verwendung von Sauerteig verleiht Brot ein typisches, markantes Aroma und eine feine, saftige Textur. Aber wie genau funktioniert Sauerteig und was muss man beim Backen mit diesem anspruchsvollen Triebmittel beachten? Und: Warum hat Sauerteig so eine lange Tradition und warum liegt er heute wieder so besonders im Trend?
Wie Sauerteig funktioniert und warum er heute wieder so beliebt ist, lässt sich kurz und knapp mit einem Wort beantworten: Fermentation. Sauerteig beschreibt nichts anderes als die Fermentation von Getreide mit Bakterien und Hefen. Ähnlich wie auch Kefir, Joghurt, Bier, Wein, Käse und so manche Wurst durch Fermentation mit Bakterien und Hefen hergestellt werden.
In Küche und Backstube läuft wenig ohne Chemie und so ist es auch beim Sauerteig, denn Fermentation ist ein biochemischer Prozess. Dabei werden Nährstoffe (z.B. Stärke bzw. Zucker) in organischen Substanzen (z.B. Mehl) in einfachere Verbindungen (z.B. Alkohol, Milch- oder Essigsäure) abgebaut. Konkret heißt das bei Sauerteig: Bakterien und Hefen wandeln die Stärke im Mehl (Stärke besteht aus vielen aneinandergereihten Zuckermolekülen) in Milch- und Essigsäure um. Dabei entsteht Kohlendioxid, das den Teig auflockert und das Brotvolumen erhöht. Die Bakterien und Hefen müssen dem Sauerteig dafür nicht extra zugesetzt werden, sie befinden sich bereits von Natur aus im Mehl und im Wasser, sogar in der Luft sind wilde Hefen unterwegs. Um einen Sauerteig herzustellen, muss man sie höchstens etwas aktivieren und ein bisschen „anschubsen“ und dafür sorgen, dass sich die richtigen Stämme vermehren – sonst kann das Ganze schnell in eine weniger erwünschte Richtung kippen. Der angenehm-säuerliche Geschmack, den Sauerteig Brot verleiht, kommt von den Milchsäurebakterien, die in einem Sauerteigansatz – einem sogenannten „Starter“ – den Ton angeben sollten.
Sauerteig mag‘s sauber
Die Herstellung von Sauerteig scheint denkbar einfach: Mehl und Wasser mischen, stehen lassen, fertig. Ganz so simpel ist es natürlich nicht. Denn damit sich Bakterien und Hefen vermehren – und eben nicht irgendwelche, sondern die richtigen – braucht es ganz bestimmte Rahmenbedingungen. Dazu gehört eine kuschlig-warme Temperatur, die über mehrere Tage konstant eingehalten wird, sowie ganz wichtig: Sauberkeit! Hygiene ist bei der Herstellung eines leckeren und tatkräftigen Sauerteigs das A und O. Hat man einmal erfolgreich einen Starter angesetzt, der gut riecht und schön blubbert, kann man eine sehr lange Zeit damit backen – gute Pflege vorausgesetzt. Denn Sauerteig ist letztlich wie ein kleines Haustier. Man muss ihn regelmäßig füttern, zurechtstutzen und Brot damit backen, damit er sich wohlfühlt und aktiv bleibt. Es ist daher nicht unüblich, seinem Sauerteig einen Namen zu geben – viele kennen ihn beispielsweise als „Hermann“. Man teilt ihn mit Nachbarn und gibt ihn bei Freunden in Obhut, wenn man in Urlaub fährt.
Man sieht: Ein guter Sauerteig ist ein kostbares Geschöpf und ein durchaus anspruchsvolles Wesen. Bäcker greifen daher häufig auf professionell hergestellte Sauerteig-Starter zurück, da sie sich hier darauf verlassen können, dass sich im Teig die richtigen Bakterien und Hefen in einem ausgewogenen Verhältnis vermehren. Nehmen die falschen Bakterien und Hefen überhand, ist der Teig nicht mehr genießbar. Bei der professionellen Herstellung können alle Umgebungsbedingungen exakt gesteuert und Hygienestandards eingehalten werden, wie es zu Hause und auch in einer guten Bäckerei kaum möglich ist. Dies sorgt für einen garantiert schmackhaften Teig mit einem kräftigen, würzigen Aroma. Auch für die Sauerteigherstellung zu Hause kann man sich solcher Starter-Kulturen bedienen und so das Risiko minimieren, dass der eigene Ansatz übelriechend im Müll landet.
Die Basis – vom Roggen-Klassiker bis zum glutenfreien Sauerteigbrot
Roggenbrot wird von jeher mit Sauerteig gebacken. Dies hat mit speziellen Enzymen im Roggenmehl zu tun, die eigentlich verhindern, dass ein stabiles Teiggerüst aufgebaut und darin Luft eingeschlossen werden kann. Sauerteig schränkt diese einem guten Backergebnis abträgliche Enzymaktivität ein. Er ermöglicht überhaupt erst, dass der Teig aufgehen und sich eine lockere Krume bilden kann.
Man muss sich aber keineswegs auf Roggenmehl beschränken – auch aus Weizen, Dinkel und Emmer lassen sich schmackhafte Brote mit Sauerteig backen. Selbst glutenfreie Varianten sind möglich, etwa auf Basis von Hirse-, Mais- oder Reismehl. Hier muss selbstverständlich auch schon der Sauerteigansatz mit glutenfreiem Mehl hergestellt worden sein. Dann aber profitieren gutenfreie Backwaren besonders von dem würzigen Aroma, das ein Ergebnis des Fermentationsprozesses ist.
Grundsätzlich empfiehlt sich immer der Griff zur Vollkornvariante. Diese enthält mehr Nährstoffe und ist zur Herstellung eines Sauerteigbrots am besten geeignet. Und es braucht eine weitere Zutat: Zeit. Sauerteig benötigt viel Zeit, um zu gehen. Dafür ist das Brot aber auch robuster und bleibt länger frisch.
Eine Tradition wird Trend
Seit rund 14.000 Jahren werden flache Brote gebacken, seit etwa 9.000 gibt es die Getreide‐Fermentation. Erste Nachweise zur gezielten Gewinnung von Sauerteig finden sich 79 n. Chr. Auch das Backen mit Hefe reicht sehr weit zurück, bis sich ihre Produktion und Verwendung in größerem Stil durchsetzte, dauerte es allerdings bis ins 19. Jahrhundert. Vorher wurde überwiegend mit Sauerteig gebacken. Generell war Fermentation ein beliebtes Mittel zur Haltbarmachung von Lebensmitteln: Kühlschränke gab es noch nicht und so mussten andere Wege gefunden werden.
Heute erlebt Sauerteig ein Comeback, denn Fermentation ist buchstäblich in aller Munde. Nicht nur in Form von Sauerteigbrot, auch bei Sauerkraut, Joghurt, Kefir und Kimchi handelt es sich um fermentierte Produkte. Was früher der Haltbarmachung diente, wird heute vor allem aufgrund seines positiven Einflusses auf unsere Darmmikrobiota geschätzt.
Wie vielfältig und kreativ Sauerteig einsetzbar ist, wird erst durch seine Wiederentdeckung in den letzten Jahren deutlich. Längst wird Sauerteig nicht mehr nur zum Brotbacken genutzt. Er verleiht Pizzateigen ein besonderes Aroma und wird inzwischen auch gerne für süße Backwaren wie Muffins und Zimtschnecken verwendet, denen er durch seinen würzigen Kontrast eine besonders spannende Note gibt.
Zur Verfügung gestellt von Ofenfrisch – Der Infoservice des Wissensforum Backwaren e.V.